Herdbuchzucht in Japan
Ursprünglich wurden die Wagyu als Arbeitstiere für den Bergbau und Transport sowie für die Forst- und Landwirtschaft eingesetzt. Die Selektion wurde nach Arbeitsleistung betrieben, einheitliche Zuchtziele existierten nicht. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Verzehr von Fleisch erlaubt. Daraufhin wurden viele Bullen unterschiedlicher Rassen importiert, um mehr Fleisch aus den ursprünglich doch sehr kleinen Tieren zu gewinnen. Schnell merkte man, dass die gewünschten Qualitätsmerkmale, insbesondere die Marmorierung, darunter leiden. Daher wurde im Jahr 1910 die Kreuzungszucht sehr schnell wieder verboten.
Im Jahre 1919 wurde erstmals ein Auswahl- und Registrierungssystem begonnen - der Start der Herdbuchzucht in Japan. Selektiert wurde jedoch zu Beginn nur auf Basis der Präfekturen, die auch heute noch einen sehr großen Einfluss haben. Bei dem alle 5 Jahren stattfindenden Wagyu-Zenkyo messen sich die Präfekturen untereinander - weibliche Tiere werden eingestuft, die Schlachtkörperergebnisse der Bullen bewertet. Ein Volksfest unter großer Anteilnahme der Bevölkerung. Mittlerweile gibt es auch in Japan nationale Zuchtziele für die unterschiedlichen Rassen. Der Zuchtfortschritt wird nun dokumentiert.
Wiege der Wagyu-Zucht!
Da Japan als Wiege der Wagyu-Zucht einen hohen Stellenwert einnimmt, uns aber nicht zugänglich ist, gilt es nun die anderen Herdbücher näher zu betrachten. Die weltweite Zucht basiert auf ca. 220 Tieren - die ersten Exporte gingen in die USA und Australien.
Die Zuchtorganisationen beider Länder haben sehr gute Dokumentationen über die Abstammungen der Tiere. Jedoch listen im Gegensatz zu Japan die jeweiligen Zuchtorganisationen die Japanese Black (Kuroge) und Japanese Brown (Akaushi) in einem Herdbuch auf - dem Wagyu-Herdbuch. Während es in Japan weiterhin verboten ist, diese beiden Rassen zu kreuzen, gelten international Kreuzungstiere aus schwarzen und roten Wagyu als reinrassig.
Herdbuchzucht in Australien
Die Australian Wagyu Association (AWA) hat ihren Sitz in Armidale. Mit Stand 2020 sind insgesamt über 100.000 Mutterkühe und fast 12.000 Bullen registriert - für sehr viele dieser Tiere liegen die ergänzenden Wert vor für beispielsweise das Karkassengewicht, RibEye, Marmorierung und Feinheit der Marmorierung. Die früher auf Beobachtungen der Nachkommen basierenden EBV-Werte (BLUP-Analyse) sind mittlerweile abgelöst worden durch einen sogenannten "Single-Step-Breedplan" , in den alle Werte einfließen, die zusätzlich gewonnen werden. Insbesondere die Ergebnisse der genomischen Zuchtwertschätzung, die mittlerweile auf den Daten von mehr als 60.000 Tieren basiert (SNP-Test).
EBV heißt Estimated Breeding Value - auf deutsch Zuchtwertschätzung. Die durch den SNP-Test gewonnenen Zuchtwerte verbessern die Genauigkeit des EBV - insbesondere für junge Tiere, die noch keine Nachkommen haben. Durch das Hinzufügen von Daten im Zeitablauf steigt daraufhin die Genauigkeit der Vorhersage - wie unten in Beispielen dargestellt. Die für das jeweilige Tier geltenden Werte gehen dann zur Hälfte in eine neue Anpaarung ein.
Nachvollziehbare Darstellung - totale Transparenz
Für mich ist das australische System aufgrund der Transparenz und der umfangreichen Daten seit Jahren weltweit führend. Hier werden nicht einzelne Tiere angepriesen oder Behauptungen in den Raum gestellt, sondern es erfolgt eine nachvollziehbare Darstellung, mittels der man sich ein eigenes Bild machen kann. Daher habe ich mich seit vielen Jahren bereits mit dem australischen Herdbuch beschäftigt und mittlerweile ein umfassendes Netzwerk aus Züchtern etabliert, von denen ich regelmäßig Genetik nach Deutschland importiere. Dies ermöglicht eine bessere Vorhersage für Anpaarungen, die geplant sind, um die jeweiligen Ziele zu erreichen. Wichtig ist aber, zu verstehen, dass dies zwar eine weitaus bessere Planung ermöglicht, die Natur aber noch die Realität beeinflusst - so kann ein Tier trotz eines genomisch vorhergesagten leichteren Gewichts höhere tatsächliche Wiegegewichte ausweisen!
Beispiele australischer Bullen
Herdbuchzucht in den USA
Die American Wagyu Association (ebenfalls abgekürzt AWA) ist an der Universität von Idaho beheimatet. Sie führt auch das Herdbuch für die gesamte Wagyu-Population in den USA. Der Zugang ist für auch für Nichtmitglieder möglich - vergleichbar mit Australien.
Geht man über die obere Task-Leiste auf "Find a breeder...." in den Bereich "Animal Search", so kann man über "Reg#" die Registrierungsnummer des gesuchten Tieres eingeben. In den USA wird bereits über diese Registrierungsnummer unterschieden in:
FB12345 - FullBlood
PB12345 - PureBred (ab 4. Generation oder 93,75% Wagyu-Blut)
PC12345 - Kreuzungen unterhalb des PureBred-Niveaus
Die Darstellung beinhaltet ein 5 Generationen-Pedigree und weitere Angaben zu den Tieren. Wer tiefer gehen möchte, kann sich auch unter DNA die Ergebnisse der Abstammungstests, der genetischen Besonderheiten und SCD/Tenderness (falls vorhanden) anschauen. Es werden durchaus eine ganze Reihe von Tests mit den Tieren gemacht - eine systematische und transparente Erfassung wie im australischen Herdbuch findet nach meinem Kenntnisstand aber nicht statt bzw. steht noch am Anfang. Daher sind viele amerikanische Züchter mit ihren Tieren auch in das australische Herdbuch gegangen. Die Amerikaner haben vor ein paar Monaten eine Kooperation mit den Australiern vereinbart.
Herdbuchzucht in Deutschland
Während in Australien und Amerika jeweils eine Organisation das Herdbuch führt und das Interesse der Wagyu-Zucht wahrnimmt, ist dies in Deutschland gänzlich anders geregelt. Der Wagyu-Verband ist die Interessenvertretung der Wagyu-Züchter, die auch meist von den jeweiligen Zuchtorganisationen aufgrund der Expertise gehört werden. Das Wagyu Herdbuch wird in Deutschland von vielen verschiedenen Stellen, den sogenannten Zuchtorganisationen, geführt. Dies sind staatlich anerkannte Stellen, die sich teilweise im Bundesverband Rind & Schwein zusammengeschlossen haben, teilweise aber auch unabhängig davon agieren. Theoretisch ist es möglich, dass jede einzelne Zuchtorganisation ein abweichendes Wagyu-Herdbuch führt. Diesen obliegt es auch, die Öffnung des Herdbuches durch Vorbücher zu betreiben oder weiterhin das geschlossene Herdbuch zu führen.
Der Vorteil dieser über Deutschland verteilten Zuchtorganisationen liegt in der regionalen Nähe. Diese ist auch notwendig, da in Deutschland ein Hauptbuch mit zwei Bereichen geführt wird. Im Herdbuch B sind alle nachgewiesenen reinrassigen und purebred Tiere geführt. Die reinrassigen Tiere können in das Herdbuch A aufsteigen - Voraussetzung ist die Körung der Tiere mit einer gewissen Mindestpunktzahl. Diese Körung wird durch die Zuchtleiter der jeweiligen Organisationen vor Ort vorgenommen. In Australien und den USA gibt es dieses System nicht - es wäre alleine aufgrund der logistischen Herausforderungen nicht möglich.
In Deutschland sind die Wagyu als Fleischrinder auch eine Wiegerasse (Geburts-, Absetzer- und Jährlingsgewicht). Sonst erfolgt kein Aufstieg in das Herdbuch A. Es müssen mindestens das Geburts- und Jährlingsgewicht vorliegen!
Die Heterogenität der herdbuchführenden Stellen führt auch dazu, dass einerseits die Anforderungen unterschiedlich sind, andererseits aber auch die Gebühren, die für die verschiedenen Leistungen in Rechnung gestellt werden.
Daher sollte sich ein Züchter mit der zuständigen herdbuchführenden Stelle abstimmen.