Um das Thema „Gendefekte“ sind viele Fragestellungen und Fehleinschätzungen entstanden. Insbesondere auch durch die Tatsache, dass der Fakt der „Erbfehlerfreiheit“ als ein absolutes und bestimmendes Qualitätskriterium gesehen wird.
Die Qualität wird durch die Abstammung, Rahmen, Milchleistung, Vererbung der Marmorierung etc. maßgeblicher bestimmt!
Auch spielt die Berücksichtigung des Inzuchtkoeffizienten bei der kleinen Ausgangspopulation eine gewichtige Rolle für die Gesundheit der Tiere. Erst nach all diesen Kriterien sollten Anpaarungen unter Beachtung der möglicherweise vorhandenen Erbfehler geplant werden. Ein Gendefekt schließt also kein Tier im Einsatz als Zuchttier aus.
Selbst einige der bekanntesten Vererber aus Japan sind Träger von Gendefekten:
-
- Itomoritaka J2703: CHS
- TF 147 Itoshigefuji: CHS
- TF 148 Itoshigenami: F11
- Fukutsuru J068: F11
- World K's Yasufuku Jr.: CL16
- Kitateruyasudoi J2810: F11
Diese Liste ist nicht abschließend, sondern nur beispielgebend. Wären diese Tiere aufgrund der Gendefekte nicht exportiert worden oder sofort nach der Kenntnis des Gendefektes aus der Zucht genommen worden, so würde heute die reinrassige Wagyu-Zucht wohl kaum noch existieren. Jedes sehr gute Zuchttier wird also weiterhin benötigt und für die Bullen der ersten Stunde werden Spitzenpreise für das Sperma bezahlt.
Bekannte Erbfehler
Bei den sechs bisher bekannten Erbfehlern handelt es sich um autosomal rezessive Erbkrankheiten. Das heißt, dass die Erbkrankheiten nur dann auftreten, wenn diese auf beiden Allelen vorhanden sind.
- CHS (Chediak Higashi Syndrom):
Hierbei handelt es sich um eine Störung der Makrophagen (weiße Blutkörperchen, die wichtig für die Immunabwehr sind). Tiere mit CHS haben dadurch eine verminderte Immunabwehr und häufiger bakterielle Infektionen. Anzeichen sind eine langsamere Blutgerinnung sowie eine auffallend helle Fellfarbe. Ein erster Indikator ist bei der Geburt eine ungewöhnliche Blutung im Bereich der Nabelschnur. - B3 (Spherocystosis):
Dies ist eine Störung der Oberflächenmembran der Erythrozyten (rote Blutkörperchen). Das Protein aus dem B3-Gen bildet die Grundstruktur der Erythrozyten. Rinder, die homozygot betroffen sind (also zwei Kopien des rezessiven Allels haben), leiden an Anämie aufgrund der abnormen roten Blutkörperchen. Dies führt bei Kälbern meist in den ersten 7 Tagen zum Tod. Es gibt auch Fälle, die länger gelebt haben, aber zum Beispiel im Wachstum dann schwer behindert waren. - CL16 (Claudin 16-Mangel):
Diese ist auch unter der Bezeichnung RTD oder renale tubuläre Dysplasie bekannt. Die Anhäufung von fibrösem Gewebe führt zu einem stark erhöhten Risiko von Nierenversagen. Die Erkrankung kann jederzeit während des Wachstums auftreten und führt dann dazu, dass die Tiere meist nicht länger als 6 Jahre alt werden. - F11 (Faktor XI-Mangel):
Faktor XI-Mangel ist eine autosomale Erkrankung, die bei Wagyu mit einer leicht erhöhten Blutungsneigung verbunden ist. Der Gerinnungsfaktor XI ist in der Wirksamkeit herabgesetzt. Die betroffenen Tiere zeigen leicht verlängerte Blutungszeiten sowie eine ungewöhnliche Plasmakoagulation nach einem Trauma oder chirurgischen Eingriff. Diese Erbkrankheit ist nicht letal und hat keine Auswirkung auf das Leben des Tieres, das in der Regel ganz normal verläuft. - F13 (FaktorXIII-Mangel):
Dieser Gendefekt ist sehr selten und daher kaum verbreitet. Sollten Tiere erkrankt sein, liegt ein starker Mangel am fibrinstabilisierenden Faktor 13 vor. Blutergüsse und Blutungen stellen typische Symptome dar, die oft an den Hintervierteln von betroffenen Kälbern auftreten. Geringste Verletzungen können Auslöser dafür sein. - IARS:
Diese erst im September 2020 von der australischen Zuchtorganisation bekannt gemachte Erbkrankheit bezeichnet das “Weak Calf Syndrom”. Diese äußert sich in längeren Trächtigkeitszeiten, bei der die Kälber aber trotzdem schwächer/leichter sind. Häufig saugen diese nach der Geburt nicht gut, so dass sie dann nach ein paar Tagen verenden. Die Anzahl der Abgänge von Trächtigkeiten ist ebenfalls höher.
Kategorien der Erbfehlerdiagnostik
F (free): Diese Tiere sind frei von dem untersuchten Erbfehler. Teilweise finden sich in den Pedigreeübersichten der Australier und Amerikaner die Abkürzungen FU – dies wird dann genutzt, wenn beide Elternteile nachgewiesen den Gendefekt nicht hatten und damit abgeleitet werden kann, dass dieser Defekt dann auch nicht bei den Nachkommen auftritt.
C (carrier): Diese Tiere tragen auf einem mutierten Allel den Gendefekt und sind phänotypisch nicht von einem gesunden Tier zu unterscheiden.
A (affected): Diese Tiere sind erkrankt an dem jeweiligen Erbfehler. Beide Genstandorte sind mutiert und der Gendefekt tritt auch phänotypisch auf.
Voraussetzung für eine ordentliche Zucht ist, dass die Tiere auf Gendefekte untersucht werden!
Voraussetzung für eine ordentliche Zucht ist, dass die Tiere auf Gendefekte untersucht werden. Tiere, die nur „carrier“ sind, können und müssen bei entsprechender sonstiger „Eignung“ für die Zucht eingesetzt werden. Dabei gilt es zu vermeiden, dass „carrier“ mit dem gleichen Gendefekt angepaart werden.
Worauf geachtet werden muss, geht aus folgendem Schema für das Zuchtmanagement hervor:
Anpaarung | Verteilung der Nachkommen | ||
Frei | Carrier | Affected | |
Frei x Frei | 100% | ||
Frei x Carrier | 50% | 50% | |
Carrier x Carrier | 25% | 50% | 25% |
Frei x Affected | 100% | ||
Carrier x Affected | 50% | 50% | |
Affected x Affected | 100% |
Wichtig! Die Auswirkungen der genetischen Defekte haben erst dann Einfluss, wenn Tiere den Status „affected“ haben
Fazit
Für jeden Züchter ist es wichtig, dass die Tiere auf potentielle Erbfehler getestet werden. Dies liegt in der Eigenverantwortung des Züchters gegenüber seinen Tieren!
Erbfehlerfreiheit kann als Verkaufsargument für den Käufer einen Zusatznutzen bieten. Dieser soll aber nicht überschätzt werden. Denn wesentlich wichtiger sind – wie bereits erwähnt – Faktoren wie Abstammung, nachgewiesene Vererbung gewünschter Eigenschaften wie Marmorierung, Rahmigkeit und Milchleistung. Was nutzen erbfehlerfreie Tiere, die aber für die Zucht nicht mehr geeignet sind?
Auf die Herdbuchführung hat das Vorliegen eines Gendefekts keine Auswirkung.
Freuen wir uns also über eine möglichst breite Zuchtpopulation, die aus Tieren besteht, die keine Gendefekte haben oder sog. Carrier sind – diese sind ein wertvoller Beitrag zu Weiterentwicklung der Wagyu-Zucht in Deutschland bzw. Europa.